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14. September 2016

Persönlich kümmern statt verwalten

Der SKM Betreuungsverein macht anlässlich einer Aktionswoche auf seine Arbeit und die chronische Unterfinanzierung aufmerksam.

  1. Ist eine Person nicht mehr in der Lage, Verträge eigenverantwortlich zu schließen, kann ein Gericht eine rechtliche Betreuung anordnen. Foto: Silvia Marks (dpa)/Daniel Gramespacher

LÖRRACH. Meist arbeitet der SKM Betreuungsverein still und unauffällig. Anlässlich einer erstmaligen bundesweiten Aktionswoche hebt er am Dienstag, 20. September, mit einem "Tag der offenen Tür" in der Schopfheimer Geschäftsstelle aber den Finger – um über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu informieren, auf sich und seine Arbeit, den Bedarf Ehrenamtlicher und vor allem die Unterfinanzierung aufmerksam zu machen. "Wir zeigen, dass wir da sind", sagte Geschäftsführer Andreas Haug am Dienstag.

Rechtliche Betreuung
Früher wurden Menschen, die nicht geschäftsfähig waren, entmündigt und unter Vormundschaft gestellt. Das geht seit 1992 nicht mehr. Damals wurde das Betreuungsgesetz und damit die rechtliche Betreuung eingeführt. Angeordnet und überwacht vom Betreuungsgericht bekommen verwirrte Senioren, geistig behinderte sowie psychisch kranke Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen können, einen Betreuer zur Seite gestellt, der dessen persönlichen Rechte und Pflichten stellvertretend wahrnimmt. Dazu gehört beispielsweise, den persönlichen Kontakt zu pflegen, zum Arzt zu begleiten, die Kontoführung zu überwachen, mit Behörden zu verhandeln sowie Rente und Sozialhilfe zu verwalten.

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Zwei Vereine im Kreis
Zuerst werden Angehörige gefragt. Findet sich im Familienkreis niemand, tritt das Gericht an einen Betreuungsverein heran wegen eines ehrenamtlichen Betreuers. Im Landkreis Lörrach gibt es zwei Vereine, die beide kreisweit tätig sind. Der eine ist kommunal beim Landratsamt angedockt, der zweite, der SKM Katholischer Verein für soziale Dienste, ein Fachverband im Caritasverband. Er versteht sich als Kompetenzzentrum zum Thema rechtliche Betreuung und Vorsorgemöglichkeiten.

Bedarf an Ehrenamtlichen
Mit einem fünfköpfigen Team sucht er Ehrenamtliche, begleitet sie und bildet sie fort. Derzeit betreuen beim SKM 174 Ehrenamtliche 240 Menschen. Regelmäßig gibt es Treffen in Lörrach, Weil am Rhein, Rheinfelden und Schopfheim mit thematischen Vorträgen. Wegen der demografischen Entwicklung – die Gesellschaft wird älter – und der Mobilität – Kinder und Eltern wohnen zunehmend nicht mehr am gleichen Ort – steigt der Bedarf an rechtlichen Betreuern, weiß Haug. Der SKM sucht daher händeringend nach Ehrenamtlichen, die einer sinnerfüllenden Tätigkeit nachgehen möchten. Voraussetzungen sind Lebenserfahrung, gesunder Menschenverstand, Interesse am Mitmenschen und zirka vier bis sechs Stunden Zeit pro Monat. "Fachkenntnisse sind nicht erforderlich, aber ein großes Maß an Sympathie und Empathie sowie Offenheit für neue Lebensweisen", erklärt der SKM-Geschäftsführer. Schließlich gehe es darum, herauszufinden, was der Betreute wünscht und inwieweit dies finanziell möglich ist.

Prekäre finanzielle Situation
Neben der Suche nach der Ehrenamtlichen informiert der SKM beim Tag der offenen Tür über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Damit lassen sich rechtlich-organisatorische sowie medizinische Fragen rechtzeitig regeln, so dass eine rechtliche Betreuung erst gar nicht notwendig wird. Die Situation sei zwar besser geworden, gleichwohl scheuten sich nach wie vor viele, diese Vorkehrungen zu treffen, berichtet Haug.

Schließlich geht es dem SKM auch darum, auf seine prekäre finanzielle Situation aufmerksam machen. Der Verein bekommt Spenden sowie Zuschüsse von Land und Landkreis – Letztere wurden 2015 erhöht – sowie von der katholischen Kirche. Hinzu kommen Vergütungen für die 54 beruflichen Betreuungen, die Haug und eine Kollegin mit 50-Prozent-Stelle derzeit leisten. Seit 2005 wurden die pauschalen Stundensätze von 44 Euro dafür nicht erhöht. Gleichzeitig sind die Personal- und Sachkosten im Schnitt um 15 Prozent gestiegen. Bei Menschen ohne Vermögen im Pflegeheim dürfen ab dem zweiten Jahr maximal zwei Stunden pro Monat abgerechnet werden. "Das ist fast nichts", sagt Haug.

Auf Dauer sei der Zustand nicht tragbar. Mehr berufliche Betreuungen zu übernehmen, ist für den Geschäftsführer kein Ausweg. Denn damit bliebe noch weniger Zeit, um Ehrenamtliche zu suchen und zu begleiten. Das koste den Staat unterm Strich deutlich mehr. Vor allem widerspräche es dem Wunsch des SKM, jedem, der einer Betreuung Bedarf, eine Vertrauensperson an die Seite zu geben, die sich um den Menschen kümmert und nicht bloß Fälle verwaltet.

Brief an Landtagsabgeordnete
Gesetzlich geregelt ist die Betreuung auf Bundesebene. Für die Finanzierung sind aber die Länder zuständig. Daher wendet sich der SKM mit einem offenen Brief an die beiden Landtagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Lörrach, Josha Frey (Grüne) und Rainer Stickelberger (SPD). Darin bittet er, sich im Landtag und Bundesrat dafür stark zu machen, dass das Vergütungsgesetz spätestens nach der Bundestagswahl 2017 angepasst wird. Der Wunsch wären 54 Euro pro Stunde – oder mehr Stunden, die abgerechnet werden dürfen. Werden die Betreuungsvereine finanziell nicht besser gestellt, seien Unterstützung und Beratung nicht zu halten, ist Haug überzeugt. Andernorts, etwa in Mülheim an der Ruhr, wurden Vereine mangels Geld bereits aufgelöst. Soweit möchte es der SKM im Landkreis Lörrach nicht kommen lassen.

Tag der offenen Tür: Dienstag, 20. September, 9.30 bis 11.30 Uhr, SKM-Geschäftsstelle, Hebelstraße 5, Schopfheim.

Kontakt: 07622/6717170, E-Mail: info@skm-loerrach.de

Weitere Infos unter http://www.skm-loerrach.de

Autor: Daniel Gramespacher


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